Blind für Kilos - wenn Übergewicht zur Normalität wird
Inzwischen ist jeder dritte Mensch übergewichtig. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO waren im Jahr 2016 circa zwei Milliarden Erwachsene und beinahe 400 Millionen Kinder und Jugendliche von Übergewicht (BMI > 25 kg/m²) und Adipositas (BMI > 30 kg/m²) betroffen. Damit hat sich die Zahl übergewichtiger Menschen seit 1975 fast verdreifacht. Diesem Trend folgend, treten auch gewichtsassoziierte Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2 und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems gehäuft auf.
Aus diesem Grund warnen Forscher bereits vor einer globalen Epidemie der Fettleibigkeit. Darüber hinaus deuten wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass Menschen zunehmend die Fähigkeit verlieren Übergewicht als solches zu erkennen. Untersuchungen aus Großbritannien und den USA zeigen, dass ein erheblicher Anteil übergewichtiger Personen dieser Fehleinschätzung unterliegt. Demnach bewerten circa 50 % der übergewichtigen Männer und etwa 30 % der Frauen ihr Gewicht fälschlicherweise als normal. Eine ähnlich beeinträchtigte Selbstwahrnehmung zeigt sich bei adipösen Menschen. Neben einem geringen Teil, der sich noch als normalgewichtig sieht, gibt es Anzeichen, dass die Mehrheit die Schwere ihres Übergewichts nicht adäquat bewertet.
Wissenschaftler des University College London werteten Umfragen aus, die in den Jahren 2007 und 2012 in Großbritannien durchgeführt wurden und kamen zu dem Ergebnis, dass sich nur etwa 10 % der Befragten als adipös oder sehr übergewichtig identifizierten, obwohl sich anhand ihrer Selbstauskünfte über Körpergröße und -gewicht ein BMI > 30 kg/m2 berechnen ließ.
Nicht nur die Selbst- sondern auch die Fremdwahrnehmung scheint zunehmend verändert. Es gibt Anhaltspunkte, dass zum Beispiel Eltern den Ernährungszustand ihrer Kinder häufig falsch bewerten. Eine im Jahr 2014 veröffentlichte Metaanalyse wertete die Daten von 69 Studien aus und ergab, dass mehr als 50 % der Eltern den Ernährungszustand ihrer übergewichtigen oder adipösen Kinder unterschätzen.
Auch die korrekte Einschätzung fremder Personen fällt Menschen schwer. Diverse Untersuchungen mit Abbildungen Unbekannter zeigen, dass Teilnehmer das Gewicht der gezeigten Personen systematisch unterschätzen und Übergewicht und Adipositas in vielen Fällen nicht richtig erkennen.
Dieser Fehlbewertung unterliegen nicht nur Laien, sondern auch medizinisches Fachpersonal. Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass in der Grundversorgung tätige Ärzte einen erheblichen Teil ihrer Patienten optisch falsch beurteilen. Eine im Jahr 2004 in Deutschland landesweit durchgeführte Untersuchung, die 1912 Arztpraxen und mehr als 45.000 Patienten einschloss, zeigte, dass Ärzte nur circa 20 – 30 % der übergewichtigen und 50 – 65 % der adipösen Patienten richtig identifizierten. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Forscher in Australien Großbritannien und Israel. Infolgedessen wird vermutet, dass Gewichtsprobleme zu selten angesprochen und adäquat behandelt werden.
Eine Anpassung der visuellen Körpernormen wird als eine der Hauptursachen dieser Entwicklung vermutet. In vielerlei Hinsicht stellt die Gesellschaft einen Bezugspunkt dar und definiert, was normal ist. Mit der wachsenden Zahl übergewichtiger Menschen wurde Übergewicht in den vergangenen Jahren vielerorts zur Normalität. Je häufiger und stärker Übergewicht in einer Gesellschaft auftritt, desto seltener wird es als Abweichung von der Norm erkannt. Diese Vermutung konnte bereits durch diverse Arbeiten gestützt werden. So konnte gezeigt werden, dass sich die visuelle Wahrnehmung zwischen Ländern und Regionen unterscheidet. In Gegenden mit einer hohen Prävalenz von Übergewicht tendieren Menschen eher dazu, Körpergewicht visuell zu unterschätzen. Gleichermaßen entscheidet das direkte Umfeld darüber welche Körperform als „normal“ angesehen wird. Weitere Faktoren, die Einfluss auf die Wahrnehmung nehmen, sind Geschlecht, Ethnie, sozioökonomischer Status und Bildung. Frauen unterschätzen ihr Gewicht signifikant seltener als Männer. Als Grund wird vor allem die Omnipräsenz schlanker weiblicher Körper in den Medien und das dominierende Schönheitsideal gesehen. Der Einfluss der ethnischen Zugehörigkeit wurde in US-amerikanischen Studien untersucht und ergab, dass Afro- und vor allem Hispanoamerikaner vermehrt dazu neigen übergewichtige Körper noch als normal wahrzunehmen. Als Erklärung gilt wiederum ein höheres Vorkommen von Übergewicht in diesen Bevölkerungsgruppen. Zu den Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer Fehleinschätzung verringern, zählen indes ein hoher Bildungsstand und sozioökonomischer Status, da diese häufig mit einem höheren Gesundheitsbewusstsein und gesünderen Lebensstil einhergehen.
Im Kontext wachsender Risiken, die von Übergewicht und Adipositas ausgehen, kommt der Aufklärung und Diagnose eine zentrale Rolle zu. Nur wer Übergewicht erkennt und als pathologische Abweichung wahrnimmt, ist prinzipiell gewillt, Maßnahmen zur Gewichtsnormalisierung zu ergreifen. Aus diesem Grund sind regelmäßigen Gewichtskontrollen entscheidend. Diese sollten nicht nur im häuslichen Umfeld, sondern auch bei jedem Arztkontakt erfolgen. Dabei sollten sich Ärztinnen und Ärzte nicht auf ihr Gefühl verlassen, sondern alle Patienten routinemäßig mit geeigneten Waagen wiegen. Auf diese Weise können Gewichtsveränderungen erkannt und Maßnahmen frühzeitig ergriffen werden.
Gesundheitliche Risiken gehen nicht nur von äußerlich sichtbaren Fettdepots aus. Ebenso wurde eine Zunahme des viszeralen Fettgewebes als eigener Risikofaktor für eine Vielzahl von Erkrankungen identifiziert. Eine viszerale Adipositas kann jedoch auch bei schlanken Menschen mit Normalgewicht auftreten. Daher kann sie durch alleiniges Wiegen nicht diagnostiziert werden. Eine nichtinvasive und verlässliche Methode zur Messung des viszeralen Fettgewebes stellt die Analyse der Körperzusammensetzung mithilfe des seca mBCA dar (TOFI - außen schlank, innen fett).
Bild 1 © “hanack” / Fotolia.com
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