Eine Lebensmittelampel gegen Übergewicht

- Viele Menschen sind sich nicht darüber im Klaren, wie ungesund die Lebensmittel tatsächlich sind, die regelmäßig in ihrem Einkaufswagen landen. Ohne es zu merken, konsumieren sie so Unmengen an Zucker, Salz und Fett, die sich als günstige Geschmacksverstärker in vielen industriell verarbeiteten Produkten verstecken.

Zwar müssen alle Inhaltsstoffe auf der Verpackung von Lebensmitteln deklariert werden, jedoch sind Zutatenliste und Nährwerttabellen häufig nur sehr klein und unübersichtlich. Auch fällt es vielen Konsumenten schwer, die angegebenen Werte richtig zu interpretieren. Daher mehren sich Forderungen nach einem leicht verständlichen Kennzeichnungssystem.

Als Vorbild gilt das vom britischen Gesundheitsministerium und der Food Standards Agency (FSA) entwickelte Ampelsystem, das sich seit einigen Jahren zunehmend auf der Vorderseite abgepackter Lebensmittel findet. Das Etikett zeigt für jede Portion die absolute Menge an Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz sowie den jeweiligen prozentualen Anteil der täglichen Referenzmenge für einen durchschnittlichen Erwachsenen. Darüber hinaus werden die einzelnen Nährstoffe farblich gekennzeichnet. Entsprechend ihres Gehaltes pro 100 g oder 100 ml werden sie wie bei einer Ampel mit den Farben Grün (wenig), Gelb (mittel) und Rot (viel) markiert. Übersteigt die übliche Portionsgröße 100 g beziehungsweise 150 ml basiert die Farbcodierung hingegen auf der Gesamtmenge pro Portion.

Obwohl das System breiten Zuspruch erhält, ist es nicht verbindlich, weshalb einige Hersteller weiterhin auf die Kennzeichnung verzichten.

Durch das britische System inspiriert, wurde in Frankreich das Nutri-Score-Modell entwickelt, das seit Ende 2017 ebenfalls auf freiwilliger Basis angewendet wird. Auf Grundlage des Nährstoffgehaltes pro 100 g / 100 ml, wiegt es positive und negative Inhaltsstoffe gegeneinander auf und bewertet das Produkt als Ganzes. Damit wertige Produkte nicht fälschlicherweise als ungesund eingestuft werden, erfolgt die Bewertung von Nahrungsfetten und Ölen, Käsen sowie Getränken auf Grundlage modifizierter Kriterien.

Die Kennzeichnung erfolgt mithilfe einer fünfstufigen Farbskala von Grün zu Rot und korrespondierenden Buchstaben von A bis E. Konsumenten können so auf einen Blick ablesen, ob es sich um ein tendenziell gesundes oder ungesundes Lebensmittel handelt.

Nach langjährigem Widerstand und erfolgreicher Lobbyarbeit gegen die Einführung einer Lebensmittelampel in der Europäischen Union sprechen sich mit Coca-Cola, Mondelez, Nestlé, PepsiCo und Unilever inzwischen fünf der größten Lebensmittelkonzerne für eine einheitliche Kennzeichnung in Europa aus.

Das von ihnen favorisierte “Evolved Nutrition Label” (ENL) unterscheidet sich jedoch von den bereits etablierten Systemen. Als Bezugsgröße dient kein standardisiertes Gewicht oder Volumen, sondern die Portionsgröße in Relation zur täglichen Referenzmenge für eine durchschnittliche Person. Somit können stark fett-, zucker- und salzhaltige Produkte allein durch die Variation der empfohlenen Portionsgröße unterschiedlich bewertet werden.

Am Beispiel einer handelsüblichen Schokocreme werden die Unterschiede der einzelnen Kennzeichnungssysteme deutlich. Die vom Hersteller empfohlene Portionsgröße wird mit 15 g angegeben und enthält circa 8 g Zucker und 5 g Fett, wovon 2 g gesättigte Fette sind. Auf 100 g ergeben sich entsprechend circa 56 g Zucker, 31 g Fett und 11 g gesättigte Fettsäuren. Nach der britischen Lebensmittelampel werden diese drei Nährstoffe eindeutig rot markiert und kennzeichnen das Produkt als ungesund. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Nutri-Score, der die zweitschlechteste Stufe (Orange; D) vergibt.

Wendet man hingegen die Kriterien des ENL an, zeigt sich eine deutliche Abweichung. Alle drei Nährstoffe erscheinen gelb, weil die Portion nur circa 7 % bis 9 % der täglichen Referenzmenge an Zucker, Fett und gesättigten Fetten enthält.

Öffentliche Kritik an diesem Kennzeichnungssystem übt beispielsweise die Nichtregierungsorganisation “Foodwatch”. Durch die Angabe niedriger Portionsgrößen erscheinen in den Augen der Konsumenten selbst sehr fett-, salz- und zuckerhaltige Lebensmittel deutlich gesünder, als sie tatsächlich sind. Zudem verweist die Organisation darauf, dass durch den Bezug auf unterschiedliche Portionsgrößen die Vergleichbarkeit von Produkten erschwert wird. Laut “Foodwatch” trägt das ENL nicht dazu bei Verbraucher besser zu informieren, sondern sie in die Irre zu führen.

Übergewicht hat multifaktorielle Ursachen und bedarf daher vielschichtigen Handelns. Eine bessere Lebensmittelkennzeichnung stellt einen wichtigen Schritt in der Prävention und Gesundheitsedukation dar. Aus diesem Grund wird sie von Wissenschaftlern und zunehmend auch Konsumenten befürwortet. Eine effektive Kennzeichnung sollte einheitlich und verpflichtend sein. Nur so kann eine Lebensmittelampel dem Konsumenten helfen, wertige Lebensmittel leicht zu erkennen und gesunde von ungesunden Produkten eindeutig zu unterscheiden. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Lebensmittelampel ihre ambitionierten Ziele erreichen und ein wirkungsvolles Mittel im Kampf gegen Übergewicht und Adipositas sein.

Bild 1 © “Bumble Dee” / Fotolia.com

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