Junge Ärzte wollen bessere Arbeitsbedingungen
Gleitzeit, Homeoffice und Sabbaticals sind in der Medizin ein Fremdwort - schließlich gilt es Patienten rund um die Uhr zu versorgen. Seit Jahren geht der Trend zur stetigen Arbeitsverdichtung. Während die Bettenzahl seit 1991 um circa ein Viertel reduziert wurde, stieg das Patientenvolumen im gleichen Zeitraum um etwa 25 %. Zudem nehmen Operationen, diagnostische Maßnahmen und ambulante Behandlungen immer weiter zu. So hat sich laut der Gesundheitsberichterstattung des Bundes die Zahl der Operationen zwischen 2005 und 2018 beinahe verdoppelt. Parallel dazu liegen Patienten immer kürzer im Krankenhaus. Während die mittlere Liegedauer 1992 noch 13 Tage betrug, sind es aktuell nur noch sieben. Damit einhergend steigt die Arbeitsbelastung vor allem durch den wachsenden bürokratischen Aufwand.
Dieser Entwicklung steht jedoch ein nur unzureichender Personalausbau gegenüber. So nahm die Zahl der Ärztinnen und Ärzte seit der Jahrtausendwende nur um etwa ein Drittel zu. Die Folgen dieser Entwicklung sind Überstunden, steigende Dienstbelastung und wachsende Unzufriedenheit.
Auch wenn das deutsche Arbeitsrecht eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden erlaubt, gibt der Großteil der in Kliniken tätigen Ärzte an, pro Woche zwischen 49 und 59 Stunden zu arbeiten. Für viele sind auch 70-Stunden-Wochen keine Seltenheit. Möglich machen dies Öffnungsklauseln oder Opt-out-Regelungen. Nicht selten wird gängiges Arbeitsrecht auch bewusst ignoriert. Neben regulären Überstunden tragen vor allem Bereitschaftsdienste zur Arbeitsbelastung bei. Nicht selten bedeutet eine bis zu 16-stündige Rufbereitschaft im Anschluss an einen regulären Arbeitstag 24 Stunden Arbeit ohne nennenswerte Pause.
Doch auch im ambulanten Bereich nimmt die Arbeitsbelastung zu. Obgleich Bereitschaftsdienste entfallen und die wöchentliche Arbeitszeit geringer ausfällt als in Krankenhäusern, geben niedergelassene Ärzte in Deutschland an, im Durchschnitt etwa 50 Stunden pro Woche zu arbeiten. Einen wichtigen Anteil nehmen dabei administrative Aufgaben ein, die zusätzlich etwa einen Arbeitstag pro Woche in Anspruch nehmen.
Die Kombination einer anspruchsvollen Tätigkeit mit einem hohen Arbeitspensum und meist unzureichenden Erholungsphasen hinterlässt ihre Spuren. So sind Depressionen und Suizide bei Ärzten häufiger als in der Allgemeinbevölkerung. Nicht selten greifen sie zur Bewältigung des Alltags auch zu Suchtmitteln und Medikamenten.
Die junge Ärztegeneration möchte diese Zustände jedoch nicht weiter hinnehmen und vertritt ihre Forderungen mit wachsendem Selbstbewusstsein. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nimmt für die neue Generation einen höheren Stellenwert ein als Karriere und gute Verdienstmöglichkeiten. Eine Umfrage der Deutschen Apotheker -und Ärztebank aus dem Jahr 2017 ergab, dass für den Großteil der Ärzteschaft das Familienleben und die Partnerschaft oberste Priorität haben. Ebenso wünschten sich mehr als 60 % der befragten eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung. Andere Umfragen zeigten sogar, dass bis zu 80 % der Ärzte eine Arbeitszeitreduzierung wünscht. Dabei sind es nicht nur mehr Frauen, die nach der Familiengründung ihre Arbeitszeit reduzieren möchten. Mittlerweile wünschen sich auch ihre männlichen Kollegen die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung.
Aktuell kann sich schon jeder siebte Arzt diesen Wunsch erfüllen - Tendenz steigend. Eine Teilzeitanstellung verbessert nicht nur die physische und psychische Gesundheit von Ärzten. Bei gleichbleibender Produktivität sind sie nachweislich motivierter und zufriedener und leisten damit auch einen Beitrag zu einer verbesserten Patientenbetreuung. Mag diese Entwicklung auch im Sinne von Ärzten und Patienten sein, hat sie auch eine Kehrseite. Mit steigendem Anteil der in Teilzeit tätigen Ärztinnen und Ärzte wird der aktuelle Ärztemangel noch weiter verstärkt. Gleichzeitig birgt eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung jedoch das Potenzial, Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen, die familienbedingt nur in Teilzeit arbeiten können und wollen oder aktuell nicht ärztlichen Tätigkeiten nachgehen.
Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen einschließlich der Einführung flexibler Arbeitsmodelle bleibt in naher Zukunft eine der zentralen Herausforderungen im Gesundheitssektor. Künftig dürften die Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitmodelle ein noch wichtigerer Faktor in der Konkurrenz um schon heute fehlende Ärzte sein und zu einem Umdenken bei Arbeitgebern führen.
Stehen vor dieser Entwicklung auch strukturelle und organisatorische Hürden ist sie doch zweifelsfrei im Interesse der Ärzte und Patienten und kann zu einer merklichen Qualitätssteigerung im Gesundheitswesen führen.
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